Harnblasenkrebs
und seine berufsgenossenschaftlichen Aspekte
1. Es existiert eine so genannte Berufskrankheiten-verordnung in Deutschland, die für alle Berufsgenossen-schaften verbindlich ist.
2. Seit 1937 ist der Harnblasenkrebs als Berufserkrankung unter definierten Bedingungen anerkannt.
3. In der Berufskrankheitenverordnung wird der Harnblasen-krebs unter der Nummer 1301 als " Schleimhautveränderun-gen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine " definiert.
4. Die Berufskrankheitenverordnung beschreibt zwei Risiko-stoffklassen für Substanzen, die bösartige Erkrankungen auslösen können.

a. Stoffklasse K 1:

i. Definition:

Stoffe, die beim Menschen bekanntermaßen krebserzeugend wirken. Es sind hinreichende Anhaltspunkte für einen Kausalzusammenhang zwischen der Exposition eines Menschen gegenüber dem Stoff und der Entstehung von Krebs vorhanden.

ii. Substanzen für das Harnblasenkarzinom:
1. 4-Aminobiphenyl
2. Benzidin
3. 4-Chlor-o-toluidin
4. 2-Naphthylamin
5. Dichlorbenzidin
6. N-Methyl-bis (2-chlorethyl)-amin

b. Stoffklasse K 2:

i. Definition:
Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen angesehen werden sollten. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte zu der begründeten Annahme, dass die Exposition eines Menschen gegenüber dem Stoff Krebs erzeugen kann. Diese Annahme beruht im allgemeinen auffolgendem: geeignete Langzeittierversuche, sonstige relevante Informationen.

ii. Substanzen für das Harnblasenkarzinom:

1. 4-Aminoazobenzol
2. 4-o-Tolylazo-o-toluidin (2-Aminoazotoluol)
3. 6-Amino-2-ethoxynaphthalin
4. 4-Amino-3 -fluorphenol
5. 2-Amino-4-nitrotoluol
6. Auramin, techn.
7. Azoverbindungen mit einer krebserzeugen-
den Aminkomponente
8. p-Chloranilin
9. 2,4-Diaminoanisol
10. 4,4-Diaminodiphenylmethan(Phenylbase)
11. 2,4-Diaminotoluol
12. 3,3-Dichlorbenzidin und seine Satze
13. 2,2-Dichlor-4,4-methylendianilin und
seine Salze
14. 3,3 -Dimethoxybenzidin und seine Salze
15. 3,3 -Dimethylbenzidin und seine Salze
16. 4,4-Methylendi-o-toluidin (Toluidinbase)
17. Dinitrotoluole
18. p-Kresidin
19. 4,4-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin)
20. Michlers Keton
21. 5 -Nitroacenaphthen
22. 4-Nitrobiphenyl
23. 2-Nitronaphthalin
24. 4,4-Oxidianilin
25. o-Phenylendiamin
26. 4,4-Thiodianilin
27. o-Toluidin
28. 2,4,5-Trimethylanilin
5. Seit Mitte der 80er Jahre muss ein neuer Tatbestand, nämlich die innere metabolische Aktivierung von Kanzero-genen, für das Harnblasenkarzinom als erwiesen angesehen werden. Dies wurde beispielhaft an den Azo-Farbstoffen
erarbeitet. 447 dieser 2017 registrierten Farbstoffe sind auf der Basis von Benzidin hergestellt. 28 dieser Azo-Farbstoffe sind schwer lösliche Pigmente und 419 hingegen sind leicht lösliche Farbstoffe. Die leicht löslichen Farbstoffe können einfach inkorporiert werden. Im Körper selbst findet dann eine enzymatische Umbaureaktion statt, die aus dem primär nicht giftigen Farbstoff ein krebsauslösendes Amin freisetzt. Dieser besondere Tatbestand wirft die Frage auf, ob die berufliche Exposition mit Azo-Farbstoffen (primär nicht kanzerogenen) BG-lich zur Anerkennung einer Berufserkrankung nach Nr. 1301 berechtigt oder nicht.

Prof. Dr. med. Dr. rer.nat. H.M. Bolt, von der Universität Dortmund, Institut für Arbeitsphysiologie kommt zu dem Schluss: "Zwar erfolgte in diesen Fällen die äußere Exposition nicht gegenüber einem Listenstoff der Anlage 1 zur BeKV, aber die medizinisch relevante innere Exposition (durch Metabolisierung des Nicht-Listenstoffes) erfolgte zweifellos gegenüber einem Listenstoff nach Nr. 1301. Dem medizinischen Sinne des Listensystems nach sollte eine Anerkennung nach Nr. 1301 in diesen Fällen möglich sein."


Hintergrundinformationen:

Im Zeitraum von 1978 bis 1989 sind insgesamt 249 Fälle von Krebs der ableitenden Harnwege als Berufserkrankung nach Nr. 1301 anerkannt worden (Butz M., 1990).


Literaturverzeichnis:

Butz M: beruflich verursachte Krebserkrankungen. Eine Darstellung der im Zeitraum 1978 bis 1989 anerkannten Fälle. Schriftenreihe des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V., Sankt Augustin, 1990.